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HALF DOME |
REGULAR NORTHWEST FACE |
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Yosemite Valley
23 bis 24 September 2006
Martina & Peter
klettern die
Regular Northwest Face |
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Am Ende des Yosemite Tales thront
der Half Dome mit seiner mächtigen Nordwestwand und erscheint
tagsüber dunkel und unnahbar. Erst in den späten
Nachmittagsstunden zeigt dieser Berg ein prächtiges
Farbenspiel in der Abendsonne. Dann wird diese Wand zum
begehrtesten Fotomotiv des Yosemite National Parks.
Während unsere Kletterfreunde Franz, Christian und Mike aus dem
Zillertal die Nose am sonnigen El Capitan klettern, beschließen
wir, diese kalte Nordwand zu durchsteigen.
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Schwierigkeit: |
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VI 5.9 C1 23
Seillängen |
Half Dome mit
eingezeichneter Route "Regular Northwest" im späten Abendlicht |
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Der Half Dome
(2693 m) ist das wohl markanteste Bergmassiv von Yosemite. Er
ist ein viel besuchter Berg, tausende Wanderer und Bergsteiger
gehen jedes Jahr auf den Gipfel. Selbst der Normalweg ist für
viele eine Herausforderung. Dabei sind 5 Stunden Fußmarsch
über zum Teil sehr steile und hohe Treppen und lange sandige
Trails einzuplanen. Am Ende muss man sogar noch
Arbeitshandschuhe anziehen, um über zwei gespannte Stahlseile
die letzten 250m zum Gipfel zu überwinden!
Viele stehen dann total erschöpft am Gipfel, doch das dicke Ende
kommt erst, der Abstieg dauert nämlich ebenso lange und ist
nicht minder anstrengend! So manche Wanderer müssen dabei eine
Nachschicht einlegen und erreichen das Tal erst bei stockdunkler
Nacht!
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Menschenkette unterwegs
zum Gipfel. |
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"Normalanstieg" für
geübte Wanderer |
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Für uns
ist dieser Aufstieg erst die Aufwärmrunde, zumal wir jeder
mindestens 12 kg zusätzliches Gepäck an Kletterausrüstung und
Wasser samt Proviant mitschleppen müssen! Knapp unterhalb des
Gipfels, auf der so genannten „Schulter“ zweigen wir nach rechts
ab und gehen hinunter zur steilen und kalten Nordseite des Half
Dome. Von dort erhebt sich dann die gewaltigste, mächtigste,
steilste und höchste Wand Nordamerikas! 600m absolut senkrechter
Fels bis hinauf zum Gipfel! Ganz oben versperrt dann ein
mächtiger Überhang, welcher „Visor“ genannt wird, den Weg zum
Gipfel!
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Peter vor dem Nevadafall |
Martina vor der Half
Dome Südseite |
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Gott sei Dank gibt es aber einen Ausweg: Das „Thank God Ledge“,
ein ca 15m langes und 30cm breites Felsband führt knapp
unterhalb des Überhangs nach links vorbei und ermöglicht so den
Ausstieg aus der steilen Wand!
Unser Abenteuer beginnt um 5 Uhr früh bei noch dunkler
Nacht im Tal. Nach 5 Stunden Zustieg und kurzer Rast steigen wir
in diese gewaltige Wand ein. Unser Ziel ist es, die Regular
Northwest Route, welche 1957 von Royal Robbins samt Gefährten
erstmals bestiegen wurde, zu durchklettern.
Wir wollen heute noch 11 Seillängen klettern und
dann in der Wand biwakieren. Morgen stehen uns dann noch weitere
12 Seillängen bevor und zu guter Letzt ein Abstieg in das Tal
von 6 Stunden! |
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Steilste Nordwand von
Amerika |
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Peter am Baum ?? |
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Lange haben wir uns auf diesen Berg vorbereitet,
haben ihn von allen Richtungen besichtigt und den Gipfel bereits
über den Normalweg und über den Ostanstieg, der so genannten
„Snack Dike“ Route (5.7) bestiegen. Nun war nur mehr der steile
und schwierige Anstieg über die kalte Nordwestwand offen!
Der
Proviant muß am Baum verstaut werden, damit er nicht von Mäusen,
Bären und anderen wilden Tieren verzehrt wird. |
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Proviant am Baum |
Einstiegseillänge |
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Die ersten Seillängen können wir recht rasch
klettern, zum Teil habe ich sie mir aber leichter vorgestellt.
Doch wir sind gut „eingeklettert“, schließlich verbringen wir
schon einige Zeit im Yosemite und haben bereits viele Seillängen
und verschiedenste Routen gemacht! Einzig die 5 Stunden Zustieg
mit schwerem Gepäck beginnen wir nun zu spüren.
Doch wir
sind gut drauf und bald erhellt die abendliche Sonne die
Nordwestwand. Nun heißt es ordentlich Gas geben, es ist von nun
an nur mehr 3 Stunden hell und wir wollen unbedingt den
Standplatz 11 erreichen. Mit der Stirnlampe in unbekanntem Fels
klettern, ist nicht ungefährlich und das wollen wir daher
vermeiden! Am Standplatz 11 besteht die Möglichkeit zu
biwakieren.
Sonne ab 3.00 Uhr
nachmittags in der Nordwestwand |
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Es ist nun 19.00 Uhr und die Sonne verschwindet
bereits am Horizont, als wir beginnen, unser Biwak einzurichten.
Eine zweite Seilschaft, die zur gleichen Zeit mit uns in die
Wand eingestiegen ist, klettert noch 6 Seillängen unter uns und
hat bereits das Licht am Kopf aufgedreht. Auch wir setzen unsere
Stirnlampen auf, denn wenn es erst einmal finster ist, wird
vieles mühseliger. Rasch richten wir unsere dünnen Schlafsäcke
und beginnen sämtliches Material vom Gurt zu nehmen. Die Seile
dienen als Unterlage und sollen, so gut es geht, die
Isoliermatten ersetzen. |
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Martina
in der Robbins Traverse |
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Martina erreicht unseren
Biwakplatz |
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Wir müssen uns hintereinander hinlegen, da das
Felsband nur gute 60cm breit ist. Wir erschrecken kurz, als eine
ziemlich
große Maus vorbeisaust. Wir können nicht wirklich sagen, um
was für ein Tier es sich handelt, fest steht nur, dass es sehr
groß ist! Ich fürchte, dass es unsere Seile annagen könnte,
Martina fürchtet hingegen mehr um unser Essen! Der Nager flitzt
über die senkrechte Wand und verschwindet nun wieder in einem
Felsschlitz auf Nimmerwiedersehen. |
Die Sonne verschwindet
hinter dem El Capitan |
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Martina beginnt uns einen Tee zu kochen.
Gemeinsam bedienen wir den Kocher, um nichts zu verschütten.
Unsere Wasserration ist knapp bemessen und muß für morgen auch
noch reichen. Ich blicke kurz in den finsteren Abgrund, um nach
der Seilschaft unter uns zu sehen. Die beiden Kletterer dürften
einen Biwakplatz am Standplatz 6 bezogen haben, da sich das
Licht ihrer Stirnlampen nicht mehr nach oben bewegt. Zur Zeit
haben wir Neumond und die Nacht wird so richtig finster! Wir
besprechen den Tag nach, und Martina schreibt alles in ihr
Tagebuch, das sie auch hier herauf in die Wand mitgenommen hat.
Morgen wird ein anstrengender Tag und wir beschließen, uns
schlafen zu legen. |
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Vorsichtig kochen wir
uns einen Tee |
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Wir schlummern beide für gut 2 Stunden weg.
Danach beginnt dann ein Martyrium für uns, es wird
nämlich verdammt kalt. Ständig müssen wir mit den Händen unsere
Beine reiben, damit es einiger maßen warm wird. Zähneklappernd
schauen wir Stunde um Stunde auf die Uhr. Zwischendurch schlafen
wir beide wieder ein, so lange, bis wir vor Kälte wieder wach
werden. Um 5.00 Uhr morgens stehen wir dann auf und kochen Tee.
Uns ist wirklich kalt und wir können uns kaum vorstellen, in
diesem Zustand klettern zu können. Doch es hilft nicht, wir
müssen los! |
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Nach der ersten Seillänge an diesem Tag wird es
besser, doch ans Ausziehen ist nicht zu denken. Ich habe alles
an, was ich mitgenommen habe und trage zusätzlich eine Haube
unter meinem Helm. Es geht nun sehr steil hinauf durch eine
gewaltige Kaminschlucht. Im Mittelteil der Kaminreihe wird
es anstrengend. "Entweder du machst es innen oder außen, innen
schaut es sicherer aus" denke ich mir. Doch ich schaffe es
nicht, mich da durch zu zwängen. Daher gibt es nur eines, diesen
Kamin am äußeren Rand klettern! |
Martina schläft auf
einem 60cm breiten Felsband, links von ihr bricht die Wand
400m senkrecht ab! |
6.30 Uhr:
Peter beginnt die Kaminreihe zu klettern |
Martina im Kamin |
Peter klettert den Kamin
und fotografiert gleichzeitig Martina beim Sichern |
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Der Kamin ist einen guten Meter breit und ich
stemme mich hoch. Ich kann hier aber keine Zwischensicherungen
legen, das ist der große Nachteil. Doch ich fühle mich sicher.
Im oberen Bereich taucht dann plötzlich ein geschlagener Haken
auf. Ich klinke und lege noch eine Keil zusätzlich! Vorbei ist
nun die Gefahr und wir atmen beide durch! Martina kommt mir
rasch nach. Oft fluchend, weil sie mit unserem Rucksack klettern
muß und dieser bei der Kaminkletterei sehr hinderlich ist. |
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Peter klettert einen
Pfeiler empor |
Tiefblick zum Einstieg |
Peter quert zu den
"Double Cracks" |
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Endlich sind wir bei der so genannten „Double
Crack“ Seillänge angelangt! Martina klettert diese Seillänge
mit Bravour frei nach, sodass ich völlig verblüfft bin! Eine der
schönsten Seillängen in dieser Wand!
Nun stehen wir am Big Sandy Ledge. Ein
Felsband mit ca 1,5m Breite, das vielen Kletterern als
Biwakplatz dient. Jetzt stehen uns die 3 schwierigsten
Seillängen bevor! Es handelt sich um die Zig Zags und ich
muss gleich die erste Länge zum Teil technisch klettern, da der
Schwierigkeitsgrad sehr hoch ist. Kleine Keile sind gefragt,
dummerweise fallen mir beim Legen eines solchen Keiles drei
andere hinunter. Nur gut, dass ich einen Reservesatz bei mir
habe! Ein kurzer Quergang nach rechts und ich stehe am ersten
Standplatz in den Zig Zags. Martina kommt hinterher.
Die Temperaturen lassen noch zu wünschen
übrig, ans Ausziehen denken wir beide immer noch nicht. In einer
Stunde kommt die Sonne, dann wird es hoffentlich wärmer! Die
zwei weiteren Seillängen bis unter den mächtigen Überhang „Visor“
sind kein Problem. |
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Die erste Seillänge der
Zig Zags nach dem Big Sandy Ledge |
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Blick hinunter auf das
Big Sandy Ledge |
Blick hinauf zum "Visor"
dem mächtigen Überhang unterhalb des Gipfels |
Martina am Standplatz in
den Zig Zags |
Jetzt kommt die Sonne, es ist wieder einmal 3.00
Uhr nachmittags und wir stehen vor dem wohl berühmtesten
Felsband im Yosemite, dem „Thank God Ledge“ oder „Gott
sei Dank Bankerl“ wie wir zu sagen pflegen. Die Erstbegeher
haben diesen Namen deshalb gewählt, weil sie schon geglaubt
hatten, nicht aus der Wand aussteigen zu können, da der Visor
den Weg auf den Gipfel zu versperren schien. Und dann plötzlich
tauchte dieses ca 30 cm breite und 15 Meter lange, sehr
ausgesetzte Felsband auf und führte die Erstbegeher am riesigen
Überhang links vorbei in Richtung Gipfelplateau.
Viel habe ich schon von diesem Quergang gelesen
und ich freue mich, endlich hier zu stehen und das Felsband vor
mir zu sehen. Es sieht toll aus, ich krabble gleich auf allen
Vieren los, muss dann aber bald aufstehen und mit dem Bauch zur
Wand weitergehen. Martina ruft mir zu, ich solle gefälligst mehr
Zwischensicherungen legen. Hoppala, zu weit gegangen, ich
kann mich nicht mehr bewegen und laufe in Gefahr nach hinten weg
zu kippen. Also wieder ein Stück zurück. Ich steige vom Band in
die glatte Wand hinunter und halte mich mit den Händen nun dort
fest, wo ich vorher mit den Füssen gestanden war. Ich quere ca
5m auf kleinen Leisten steigend weiter nach links und klettere
dann, sobald es die Breite erlaubt, wieder auf das Felsband
hinauf. Dann robbe ich die letzten Meter hinüber und stehe am
Ende des Thank God Ledges wieder auf. Doch diese Seillänge ist
noch nicht zu Ende.
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Peter quert das
ausgesetzte "Thank God Ledge" |
Vor mir ist nun ein Offwith-Kamin, welcher nach
außen breiter wird und nicht absicherbar ist! Allen Mut zusammen
nehmend klettere ich diese kurze Stelle hinauf zum Standplatz.
Nun sind es nur noch 2 Seillängen bis zum Gipfel! |
Thank God Ledge: Ein 30
cm breites fenstersimsartiges Band,
600m über Grund |
Martina unterwegs
Richtung Gipfelausstieg |
"Thank God Ledge" |
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Die Leute oben können
die letzte Seillänge bereits in die Wand einsehen und beobachten
uns beim Klettern.
Sie applaudieren
uns, als wir am Gipfel aussteigen und sind völlig fassungslos,
dass wir hier aus dieser Wand kommen. Sie sehen uns an, als
kämen wir von einem anderen Stern, bewundern und fotografieren
uns. Sie fragen, wo wir her kommen und bieten uns sogar ein Bier
an! Es ist ein unglaubliches und schönes Gefühl, wir sind
gerührt!
Es ist ganz anders als wir es am El Capitan nach der Nose erlebt
hatten. Dort waren wir einsam und allein, hier war es genau das
Gegenteil. Wir sind überglücklich, obwohl wir wissen, dass uns
noch ein langer, staubiger und steiler Abstieg ins Tal bevor
steht! |
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Geschafft !!
Wir stehen am Gipfel des Half Dome ! |
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Der klobige halbrunde Half Dome erhebt sich als
gespaltener, von Gletschern zerfurchter Granitblock 1400 Meter
über den Talboden. Die Geschichte von Yosemite begann vor
rund 500 Millionen Jahren, als die Region der Sierra Nevada noch
unter einem ehemaligen See lag. Mächtige Sedimentschichten
lagerten am Grunde des Sees, die schließlich gefaltet und
gehoben wurden. Zur gleichen Zeit gelangte tief aus dem
Erdinneren geschmolzenes Gestein bis dicht unter die
Sedimentschichten, wo es langsam abkühlte und Granit bildete. Im
Laufe der Jahrmillionen hat dann die Erosion den Granit
herauspräpariert. Wasser und Gletscher taten ein übriges,
formten und formen das Gebiet von Yosemite. Die Gletscher
schliffen das Tal des Merced River aus, der während mehrerer
Hebungen der Sierra einen Canyon geschaffen hatte. Das so
verbreiterte Tal füllte sich mit Sedimenten und erhielt einen
ebenen Talboden, auf dem sich Wälder, Wiesen und Seen befinden. |
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